Mittelschwaben: eine vielschichtige Theaterlandschaft
- Zusammenfassung unserer Erkundungen -

Monatelang haben wir Zeitungsartikel gesammelt und viele Theater besucht. Wir haben uns mit der Frage beschäftigt: Was ist einem Königsbrunner Schüler geboten, wenn er sich fürs Theater interessiert? Hat er darunter zu leiden, dass er in einer Kleinstadt der mittelschwäbischen Provinz lebt? Gibt es genügend Möglichkeiten, sich selbst in einem Theater zu entfalten oder auch "nur" Theater zu besuchen?

Königsbrunn und Umgebung

Zugegeben: Königsbrunn selbst ist keine Theaterhochburg. Es finden sich hier kein echtes Theatergebäude und auch keine Multifunktionshalle, in denen regelmäßig Schauspielensembles zu sehen wären. Königsbrunn lebt auf diesem Gebiet weitgehend von Nachbarkommunen. Um anspruchsvolles Theater zu erleben, muss man aber nicht unbedingt nach Augsburg oder gar München fahren. Manchmal reicht auch schon der Weg nach Bobingen in die Singoldhalle, wenn dort mal eine renommierte Theatergruppe gastiert.

Man kann auch in Königsbrunn sehr früh Freundschaft mit der Schauspielkunst schließen. Schon in den Grundschulen und in der örtlichen Musikschule werden den Kleinen die Grundbegriffe der Darstellungskunst beigebracht. Die Lehrer bevorzugen Musicals, von denen sie fast jährlich eines aufführen, denn gerade die Verbindung von Sprech- und Musiktheater erscheint ihnen für die Persönlichkeits- und Sprachbildung der Kinder pädagogisch äußerst wertvoll zu sein. Mitunter lädt man in die Grundschulen oder auch schon in die Kindergärten Puppenbühnen ein. Sie heißen "Seegras", "Kasper aus der Truhe", "Kladderadatsch", "Potz-Blitz", "Ypsilon", "Stabpuppentheater" usw. Oft werden sie von Profispielern betrieben, die Puppen-, Figuren-, Pantomimen- oder auch schon Personentheater gegen geringes Entgelt bieten. Die Stücke passen meist sehr gut zu den Lernzielen der Bildungseinrichtungen und bereichern den Unterricht methodisch gut.
Alljährlich gibt es überdies das "Kleine Augsburger Puppenfestival KLAPPS", auf dem die neuesten Produktionen einheimischer, vor allem aber auch namhafter auswärtiger Puppentheater eine Woche lang dargeboten werden.
Am Königsbrunner Gymnasium profitiert man von diesen Grundlagen, weshalb die Arbeit der dortigen Schulspielgruppen seit Jahren ein beachtliches Niveau erreichen und sich Regisseur Dieter Ungelehrt gelegentlich sogar an schwierige englischsprachige Stücke heranwagen kann. Einen unbestrittenen Höhepunkt erreichte diese Schultheaterarbeit, als vor einigen Jahren aus der Schulgruppe für kurze Zeit die KiDS (Königsbrunn Drama Society) erwuchsen, die über die Schulzeit und die Schulmauern hinaus englisches Theater produzierten und dafür sogar einen kommunalen Kulturpreis erhielten.
Es sollten aber auch die drei uns bekannten örtlichen Amateurtheatergruppen nicht vergessen werden, die vorzugsweise Volks- und Boulevardtheaterstücke präsentieren und mit ihrem Angebot einen wichtigen Beitrag leisten: Die Menschen unterhalten sich auf aktive und kreative Weise, finden über ihr Hobby zusammen sowie aus ihrem oft sehr berufsorientierten Alltag bzw. ihrer fernsehkonzentrierten Freizeitgestaltung heraus. Die Mitglieder dieser Theatergruppen nehmen ihr Hobby in der Regel sehr ernst, wollen sich beweisen und dem Publikum Sehenswertes bieten.

Amateur- und Volkstheater

Solche Laienbühnen finden sich im nahen Umkreis von Königsbrunn zuhauf. Ob in Bobingen (Theaterschmiede), Kleinaitingen, Mering (NTM), Kissing (Hiasl), Ottmaring, Haunstetten (Haunstetter Breddle), Stadtbergen (Baumüller Bühne), Neusäß oder eben in der Stadt Augsburg - um nur einige Beispiele zu nennen - fast überall gibt es Leute, die sich selbst präsentieren und spielen wollen. Oft haben diese Bühnen eine lange Volkstheater-Tradition und einen sehr treuen Zuschauerkreis. Und meist haben sie zum großen "Theater Augsburg" kaum Verbindungen.
Das Interesse am Theater scheint ohnehin eine äußerst vielschichtige Angelegenheit zu sein. Die wenigsten Menschen suchen dabei die Kunst. Für sie ist Theater vor allem eine Vergnügungs- und Begegnungseinrichtung. Man will den Nachbarn auf den Brettern zeigen und sehen, der im Alltag Angestellter, Mechaniker oder Bauer ist. Man ist neugierig, ob eine Bekannte, die vielleicht Verkäuferin in einem Supermarkt ist, ihren Text behalten kann. Man freut sich, wenn der Sohn, die Nichte, der Neffe seine / ihre Rolle ohne größeren Fehler spielen. Allerdings fällt durchaus auf, dass die Amateurtheatermacher im Laufe der Jahre einen gewissen Hang zu klassischen oder zumindest anspruchsvollen Stücken entwickeln. Einige Theatergruppen, die sich nicht aus den alten Volkstheatern entwickelt haben, sind von Anfang an einem gehobeneren Anspruch verpflichtet.

Kinder- und Jugendtheater

Zurück zu unseren Königsbrunner Schülern. Wer Eltern hat, die kleinere Entfernungen nicht scheuen, kann schon früh von den Theatern in Augsburg profitieren. Dabei denkt man natürlich zuerst an die Augsburger Puppenkiste, die in hochprofessioneller, aber auch -kommerzieller Weise nicht nur dem lokalen und regionalen, sondern einem bundesweiten Publikum perfektes Marionettentheater anbietet. Die Bühne ist durch das Fernsehen bekannt und deshalb sehr gefragt, weshalb sie für einen häufigen Besuch nur bedingt in Frage kommt. Eine hervorragende Ergänzung ist deshalb ein Theaterzentrum, das erst in den 90er-Jahren entstanden ist, das "abraxas". In diesem ehemaligen US-Offizierstheater spielen vor allem freie Kinder- und Jugendbühnen wie das Moussong-, Faks- und das Klexs-Theater, das "Junge Theater Augsburg" oder das Theater "Fritz und Freunde". Für alle Altersgruppen (vom Kleinkind bis zur reiferen Jugend) gibt es hier regelmäßig ambitionierte Inszenierungen. Über die neue B 17 ist das Kulturzentrum "abraxas" von Königsbrunn aus fast leichter zu erreichen als die Puppenkiste. Alljährlich findet dort auch das Augsburger Schultheater-Festival statt, auf dem die besten Schulinszenierungen des laufenden Jahres präsentiert und prämiert werden.

Schultheater

Apropos Schultheater. Schon im Zusammenhang mit dem Königsbrunner Theaterangebot war davon die Rede. Es gibt heute kein Gymnasium im Großraum Augsburg, das keine Schulspielgruppe unterhält. Oft spielen sogar Unterstufen-, Mittelstufen- und Oberstufen-gruppen nebeneinander. Manche Schulen wie z.B. die Freie Waldorfschule zeigen mehrere Inszenierungen pro Jahr. Hier kann man Theater von Jugendlichen für Jugendliche in oft erstaunlicher Qualität bewundern. Nur schade, dass viele Aufführungen hauptsächlich von einem "schuleigenen" Publikum gesehen und selten von einem breiten lokalen Publikum beachtet werden.
Auffallend ist aber auch, dass immer mehr Grundschulen das Theater entdeckt haben und ihre Produktionen nicht nur klassen- oder schulintern, sondern öffentlich zugänglich machen.

Pfarr- und Gemeindetheater

Zu einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung auf der Bühne wollen viele Gemeinden ihre Gläubigen neben den sonstigen kirchlich-religiösen Aktivitäten anregen. Oft bieten die Pfarr- und Gemeindesäle beste Möglichkeiten für Theateraufführungen, die nicht nur von gemeindeeigenen Gruppen, sondern häufig auch von freien Volkstheatern genutzt werden. So spielen beispielsweise das "Augsburger Volkstheater" im Pfarrsaal von St. Max, die "Theatergesellschaft Fidelio" und die "Bühnenfreunde Augsburg" im Haus Augustinus, dem Pfarrsaal von St. Georg, sowie das "Kleine Volkstheater Göggingen" im Roncalli-Haus. Kircheneigene Gruppen unterhält z. B. die Pfarrei St. Thaddäus mit dem "Rampenlicht", Don Bosco mit der "Märchenbühne"; und auch St. Konrad, St. Canisius und die Christkönigsgemeinde in der Hammerschmiede haben regelmäßig auftretende Theater-gruppen. Am ehesten in diese Rubrik passen auch die Kolping-Theatertruppen, die in einigen Stadtteilen oft mit ihren Programmen hervortreten (z. B. im "Grünen Kranz" in Lechhausen oder in Neusäß). Nur selten spielen diese Gruppen Stücke mit religiösem Hintergrund. Ihr Repertoire ist durchaus mit dem der freien Volkstheater zu vergleichen: Man deckt vom Bauerntheater über die Boulevardkomödie bis hin zu Klassikern ein breites Bühnenspektrum ab, wobei die Auswahl der Stücke oft einfach von der Zahl und dem Geschlecht der zur Verfügung stehenden Darsteller abhängt. Gemeinsam ist all diesen Gruppen, dass sie in der Regel mehr sein wollen als reine Theaterproduzenten; sie stellen Freizeitgemeinschaften im weitesten Sinn dar, die zusammen auch auf Ausflüge, an den Stammtisch oder zum Kaffeekränzchen gehen.

Theater in Sportvereinen

Sogar manche Sportvereine haben den hohen Integrationswert des Theaterspielens erkannt und eigene Theaterabteilungen eröffnet. Besonders rege arbeiten hier die beiden Haunstetter Vereine FC und TSV, deren Bühnen "Haunstetter Breddle" und "Kleine Komödie Augusta" heißen, die SpVgg Bärenkeller mit ihrer "Goissbachbühne", der SV Hammerschmiede mit seinen "Theaterern" und der TSV Firnhaberau mit seinen "Theaterleut'". So manche Turnhalle oder auch etliche Vereinsheime bieten durchaus das nötige Theaterequipment.

Theater Augsburg

Natürlich wird ein Königsbrunner Gymnasiast schon bald auf das breite Programm am "Theater Augsburg" hingewiesen. Regelmäßig werden preisgünstige Karten für fast alle wichtigen Inszenierungen angeboten. Mit dem Großen Haus, der Komödie, dem Hoffmannkeller, der Kongresshalle und der Freilichtbühne verfügt dieses kommunale Theateraushängeschild über fünf Spielstätten, in denen Schauspiel, Musik- und Tanztheater von einem eigenen Ensemble gezeigt werden. Die ehemaligen Städtischen Bühnen versuchen auf breiter Ebene die Theaterbedürfnisse insbesondere der bildungsnahen Schichten abzudecken. Dabei fällt den Regisseuren der Spagat zwischen eher traditionellen und experimentell-modernen Produktionen nicht leicht. Ziel ist natürlich, möglichst viele Bürger aus allen Gruppierungen in die Vorstellungen zu locken. Es ist aber schwierig, allen Interessen gerecht zu werden.
Der Königsbrunner Schüler wird seine Stadttheatererfahrungen vielleicht mit einer der großen Weihnachtsinszenierungen speziell für Kinder und Jugendliche beginnen oder eine Aufführung des Jtt, also des "Jungen Team Theater" besuchen. Diese Jugendtheatertruppe wurde vom "Theater Augsburg" aufgebaut, um jungen Talenten der Region eine Chance zu geben, einmal unter professionellen Bedingungen ihre schauspielerischen Möglichkeiten auszuloten und ihnen vielleicht sogar ein Sprungbrett für eine spätere Schauspielkarriere zu bieten. Mehrere Schüler aus unserer Königsbrunner Schulspielgruppe haben dort bereits mitgewirkt und vor großem Publikum in der Augsburger Komödie gespielt. Im Laufe seiner Schulzeit wird es sich für den Normalschüler dann vielleicht einmal anbieten, einen "Klassiker" im Zusammenhang mit der Schullektüre oder auch ein paar modernere Stücke anzusehen. Im Sommer könnte ihn ein Musical, eine Operette oder eine Oper auf der Freilichtbühne reizen. All dies steht regelmäßig im Großangebot beim "Theater Augsburg".

Freilichtbühnen

Wer übrigens denkt, die Freilichtbühne am Roten Tor sei die einzige Open-Air-Bühne in unserem Großraum, der täuscht sich gewaltig. Eine Mini-Bühne gibt es auf dem Jakoberwall, die alljährlich vom s'ensemble-Theater bespielt wird; man bietet dort viel Improvisationstheater, das eventuell unsere Oberstufenschüler interessieren könnte. Eher an den Jugendlichen mit Lust auf Abenteuer- bzw. Indianergeschichten richtet sich das Programm der Dasinger Western-City-Bühne. Die dortigen "Süddeutschen Karl-May-Festspiele" scheinen sich gut zu etablieren und ziehen ein erstaunlich zahlreiches Publikum an. Spektakulär sind die Klassiker-Inszenierungen auf der riesigen Schiltberger Naturbühne bei Aichach, die allerdings leider nur alle vier Jahre zu sehen sind. Kaum kleiner dimensioniert ist die Freilichtbühne in Burg (Burgstalltheater), viel überschaubarer die in Lützelburg, wo der örtliche Sportverein eine sehr aktive Theaterabteilung betreibt. Freilich setzt der Besuch dieser Bühnen schon eine relativ große Mobilität für einen Schüler aus Königsbrunn voraus.

Ähnliches gilt für etliche Theater am Rande der Stadt Augsburg oder in ihren Nachbargemeinden. Wer z.B. das oben erwähnte s'ensemble-Theater lieber im Saal erleben möchte, der muss die Kulturfabrik im Textilviertel aufsuchen, wo in einem relativ kleinen personellen Rahmen sehr ambitioniertes und experimentelles Theater produziert wird.

Universitätstheater

Anspruchsvoll sind die Produktionen der Theatergruppen an der Universität Augsburg. Sie bringen in der Regel eine Inszenierung pro Jahr zur Aufführung und spielen entweder in einem Uni-Hörsaal (so das Anglisten- und Romanistentheater und seltener das Germanistentheater) oder auch im "abraxas" (wie das Komparatistentheater und das Panoptikum, die jüngste Uni-Theatergruppe, die erst seit drei Jahren aktiv ist). Besonders die Anglisten bieten konsequent fremdsprachiges (englisches) Theater, das in unserem Großraum sonst meist nur noch auf einzelnen Schulbühnen zu erleben ist.

Theatersäle für Tourneebühnen

Aber auch die Freunde des Tourneetheaters kommen in unserer Region voll auf ihre Kosten. Das Parktheater im Kurhaus Göggingen präsentiert laufend Produktionen mit meist namhaften Hauptdarstellern, die häufig aus dem Fernsehen bekannt sind, und bietet selbst eine grandiose Jugendstilkulisse, die in Deutschland nicht häufig zu finden sein dürfte. Im kleinen Rahmen kann man auswärtige Ensembles auch in der altertümlichen Kresslesmühle erleben; der Schwerpunkt des Angebots liegt dort aber auf Kabarettprogrammen. Wer sich mit einem moderneren Ambiente begnügt, kann auf die Angebote in den Stadthallen von Gersthofen, Neusäß oder in der Bobinger Singoldhalle zurückgreifen. Tournee-Groß-produktionen finden aber gelegentlich auch in der Augsburger Kongress- oder in der Schwabenhalle im Messezentrum statt. Alle diese Veranstaltungsorte sind kaum mehr als zehn bis fünfzehn Kilometer von Königsbrunn entfernt.

Experimentierbühnen

Für den Kenner der Theaterszene stellen etliche teils laienhafte, teils halbprofessionelle Kleinsttheater besonders reizvolle Highlights der Schauspielkunst dar. Sie heißen "Mänäptehoi", "Irreal" usw. und spielen auf Kellerbühnen (Werkstattgalerie Krüggling), Dachböden (Meringer Schloss), Bürgersälen (Pfersee, Stadtbergen), Gasthausbühnen (Theatercafé Striese, Café Sowieso, Ecu 34), in Innenhöfen (Damenhof, Fuggerhaus), Gärten und sogar im Wald. Die freie Natur als Bühne hat auch das "Spielwerktheater Diedorf" entdeckt, das allerdings seit kurzem auch über ein neues Theatergebäude mitten in seiner Heimatgemeinde verfügt. Faust II allerdings wurde an mehereren Spielorten mitten im Wald bei Diedorf inszeniert. Es war ein fast ganzheitliches Erlebnis, in das auch bildnerische Kunst, Musik, Wandern, Essen und Trinken einbezogen waren.

Wer also von Königsbrunn aus die Theaterwelt ergründen will, muss nicht unbedingt weit fahren. Im Umkreis von etwa 20 Kilometern finden sich sehr viele Bühnenstätten und -gruppen, die im Allgemeinen die Interessen des Normalschülers bzw. jungen Erwachsenen abdecken können.

Geht man über diesen Radius ein wenig hinaus, gelangt man schnell in die Theatergroßräume Münchens, Ingolstadts, Ulms oder des Allgäus. Nahezu unerschöpfliche Bühnenwelten tun sich hier auf - mehr als ein normaler Geldbeutel verkraftet.