Über das Stück „Die Wohngemeinschaft“:
(gesehen am 18. August 2006 auf dem Freilichttheater im Jakoberwallturm zu Augsburg)

Gezeigt wird im Sommer 2006 eine Fortsetzungskomödie ohne feste Handlung, also sog. Improvisationstheater. Jede Vorstellung wird auf diese Weise zu einem einmaligen Erlebnis, dessen Wirkung auch von der Tagesform der beteiligten Schauspieler abhängt. Auf der Bühne ist die Terrasse der Wohngemeinschaft zu sehen, die ansonsten in einem Zimmer im Jakoberwallturm haust. Auf der Terrasse ist ein kleines Zelt aufgebaut, in dem Alfons (Heiko Dietz), der etwas zurückgebliebene Jugendfreund Sabines (Daniela Nering), übernachtet; die er immer im Sommer besucht. Davor stehen ein paar Gartenmöbel. Rechts ist eine Leinwand aufgestellt, auf der man einen Blick in das Zimmer der Wohngemeinschaft werfen kann. Manchmal wird darauf aber auch einfach die Szene auf der Terrasse vergrößert gezeigt, so dass das Publikum interessante Detail- und Mimikstudien vornehmen kann.

An diesem Abend entwickelte sich die Geschichte auf der Bühne wie folgt: Sabine will am Sonntag, also am 20. August, den arbeitslosen Martin heiraten. Martin ist aber mit Gabi, einer Freundin Sabines, ausgegangen. Keiner weiß so recht, was die beiden miteinander machen. Die Hochzeit ist so gut wie nicht vorbereitet, nicht einmal Sabines Eltern sind eingeladen. Susanne (Birgit Linner), Sabines Schwester, die auch zugegen ist, findet die Situation furchtbar. Sie ist beruflich erfolgreich und im Leben zielstrebig, hat aber gerade ein Burn-out-Syndrom und außerdem kein Glück mit Männern, wohl auch deshalb, weil sie etwas schrullig und wenig attraktiv ist. Sie beneidet einerseits ihre viel hübschere Schwester, muss ihr aber finanziell oft unter die Arme greifen und lehnt Sabines chaotische Lebensweise wie auch ihren Heiratsplan ab. Während sie trotzdem wenigstens die Hochzeit anständig durchführen will, baut ihre Schwester Papierschiffchen, auf denen die Gäste (nur fünf an der Zahl werden kommen) in Form von 5-Euro-Scheinen ihre Hochzeitsgeschenke auf einem Bach heranschwimmen lassen sollen. Alfons denkt gar nicht daran, sich an irgendwelchen Arbeiten zu beteiligen. Er frisst auf unkultivierte Weise ein Dosenwürstchen nach dem anderen und säuft ununterbrochen Coca Cola. Um sich Nachschub zu besorgen, geht er zu einer Tankstelle. Genau in dieser Zeitspanne trifft sein Zwillingsbruder Knut (Heiko Dietz in seiner zweiten Rolle) ein, der dem Brautpaar gratulieren will, weil er am Hochzeitstag keine Zeit hat. Er ist sehr in Eile, denn als erfolgreicher Geschäftsmann hat er viele Termine. Der Kurzbesuch reicht aber, um die beiden Damen völlig außer Fassung zu bringen. Sie sind scharf auf den smarten Gast und wollen sich gegenseitig ausstechen. Auch Sabine, die ja heiraten will, würde ihn am liebsten sofort erobern. Erst als Knut - ohne seinen Bruder gesehen zu haben - aufbricht, beruhigen sich die Frauen langsam wieder. Von Knut stimuliert, entdecken beide ihr Interesse an seinem körperlich identischen, aber leider geistesschwachen Bruder. Der weiß gar nicht, wie ihm geschieht, als ihm Susanne völlig unvermittelt anbietet, mit ihm in seinem Zelt zu übernachten. Sabine gönnt ihrer Schwester dieses Vergnügen nicht; es kommt zu bissigen Auseinandersetzungen. Und so endet die Geschichte damit, dass beide Frauen zu ihm ins Zelt schlüpfen.

Die Schauspieler erwiesen sich als Meister in der Improvisationskunst. Man hatte nie den Eindruck, dass überhaupt improvisiert wird. Witzig und einfallsreich agierten die drei Mimen und sorgten für viel Heiterkeit beim Publikum. Die Atmosphäre in dem kleinen Theater passte ideal zu der privaten Situation der „Aussteiger“. Ohne besondere Kulissen (die Gemäuer der Wallanlage beeindrucken auch so) lebte die „Soap“ rein von der Schauspielkunst der Akteure und ein paar wenigen Vorgaben des Regisseurs Sebastian Seidel. Man erlebte einen sehr vergnüglichen Abend.


   
  Die Wohngemeinschaft: hinten Susanne und Sabine, vorne Martin, Alfons und ein Gast aus Österreich   Beim Plausch auf der Terrasse
 

   
  Die Terrasse der Wohngemeinschaft, darauf auch Alfons' Zelt   Das Bühnenbild zum Improvisationsstück "Die Wohngemeinschaft"