Über das Stück „Goldrausch“:
(gesehen am 11.3.2006 im S’ensemble-Theater in der Kulturfabrik)

„Goldrausch“ ist eine Einpersonenpantomime, die speziell für die Schauspielerin Birgit Linner entwickelt worden ist. Nur mit Mitteln der Mimik und Gestik, einem einfachen Bühnenbild und mehreren Filmszenen wird die Handlung entfaltet, in der es um Probleme des schnellen Reichtums geht. Sebastian Seidel, der Leiter des S’ensemble-Theaters, hat das Stück inszeniert.

Ein junger Mann namens Simple Parker (Birgit Linner) führt ein Leben, das wenig abwechslungsreich aus Schlafen und Arbeiten besteht. Außer einem Bett sind in seiner Behausung nur noch ein - lästiger - Wecker, eine Kaffeetasse, ein an der Wand hängendes Glücksschwein und eine riesige Sonnenblume zu sehen. Er lebt ziemlich einförmig vor sich hin, ist mal euphorisch und mal schlecht gestimmt, was sich darin äußert, dass ihm der Kaffee schmeckt oder nicht, dass er seine Blume und sein Schwein stürmisch liebkost oder auch missachtet. Wenn er seine Wohnung verlässt, begibt er sich zur Straßenbahn und fährt davon. Alles in allem lebt er unbeschwert. Eines Tages bemerkt er, dass eine Passantin auf dem Rathausplatz ein Couvert verloren hat. Sein Versuch, es ihr nachzutragen, scheitert, denn schon ist sie in einer Straßenbahn verschwunden und davongefahren. Zu Hause öffnet er nach einigem Zögern das Couvert, das einen Lottoschein enthält. Zufällig hat die Dame sechs Richtige getippt, und so ist der kleine Nobody plötzlich reich. Sein Leben verändert sich. Er kauft ein, ist mit Bankgeschäften befasst, gerät in einen regelrechten Geld- oder Goldrausch. Zu Hause türmen sich die Kartons mit Waren, die er eigentlich gar nicht braucht und nicht einmal auspackt, die ihm aber dennoch Sorgen bereiten. Vor allem muss er seine Reichtümer vor Diebstahl sichern. Mit vielen Ketten schützt er sie vor der Entwendung. Er selbst bewacht seine Kartons und kommt kaum mehr zum Schlafen, was er früher so gern und ausgiebig getan hat. Unweigerlich naht der Moment, an dem er des überflüssigen Mammons überdrüssig ist. Er wirft seine Reichtümer aus der Wohnung, widmet sich wieder seiner inzwischen welk gewordenen Sonnenblume und seinem arg vernachlässigten Glücksschwein und findet auf diese Weise auch zu seinem gesunden Schlaf zurück. So führt er wieder ein zufriedenes Leben.

Birgit Linner spielt die Pantomime äußerst witzig. Man glaubt gar nicht, wie heiter man einen Schlafenden auf der Bühne darstellen kann. Damit der auch gut gesehen werden kann, ist das Bett vertikal aufgestellt. Die Schnarchtöne ergeben ein nächtliches Konzert mit vielen Variationen. Wenn der Erwachte am Morgen sein Schwein küssen will, muss er sich auf die Zehenspitzen stellen oder einen kleinen Sprung machen. Zu einer kleinen Gefühlsorgie wird die Begrüßung der Sonnenblume. Besonders einfallsreich ist die Erweiterung des Bühnenraums mit filmischen Mitteln. So kann man auf der Leinwand miterleben, wie der kleine Mann über das Treppenhaus ins Freie gelangt, über den Rathausplatz zur Straßenbahn geht, in Autohäusern schicke Limousinen betrachtet oder in der Sparkasse beraten wird. Die Übergänge von der Bühne in den Film und zurück sind perfekt gemacht. Das Publikum erlebt eine heitere, aber nachdenklich stimmende Aufführung und merkt, mit welch einfachen Mitteln gutes Theater zu bieten ist, wenn man kreativ genug arbeitet.



   
  Simple Parker mit seiner Sonnenblume und seinem Glücksschwein   Birgit Linner als Simple Parker
 

   
  Der Goldrausch beginnt: Simple Parker vor einer Luxuslimousine   Simple Parker im Reisebüro
 

   
  Witziger Auschnitt aus dem Programmheft: In weiteren Rollen   Eine Eintrittskarte