Über das Stück „Der Besuch“:
(gesehen am 11. April 2006 im St. Matthäus-Gemeindesaal in Augsburg-Hochzoll)

Das Theaterstück „Der Besuch. Als der Himmel die Erde zum zweiten Mal berührte“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Adrian Plass und wurde von Ewald Landgraf inszeniert.

Nach 2000 Jahren kündigt sich der Religions-„Gründer“ (Helmut Niedermirtl) zu einem Besuch in der Küstenstadt Dover an. William (Ewald Landgraf), der in der Gemeindeleitung wegen seiner organisatorischen Fähigkeiten wichtig und allgemein eine angesehene Persönlichkeit ist, bereitet den Empfang in der Kirche vor. Er hat seine ganz eigene Vorstellung vom „Gründer“ und will ihn seiner Gemeinde angemessen präsentieren. Natürlich denkt er vor allem an einen festlichen Gottesdienstrahmen mit einer großen Predigt des „Gründers“ im Mittelpunkt. Der aber gibt sich völlig anders als von William erwartet. Er liebt keine großen Auftritte, Predigten oder Interviews, sondern den liebevollen Kontakt zu den ganz normalen Menschen auf den Straßen oder in einem griechischen Lokal, isst Schokoriegel lieber als Brot, kümmert sich mehr um Bettler (Martina Lawall), Schwule (Jörg Gögelein) oder geistig Zurückgebliebene (Alexandra Bress) als um die Fragen der Gelehrten, Kirchen- und Verbandsvertreter. Er zieht bei William ein und lässt die Planungen des durch und durch konventionellen Glaubensmanagers immer wieder scheitern. Allgemein ist der „Gründer“ dem Kirchenmann William zu menschlich, zu wenig charismatisch; er hält sich nicht an Gepflogenheiten und lang eingeübte religiöse und gesellschaftliche Regeln. Der „Gründer“ liebt die Menschen, wird von ihnen aber auch immer wieder enttäuscht, weil sie seine Liebe oft zurückweisen. Am meisten schockiert ihn, dass die Menschen in Dover „sein“ Fest, also Weihnachten, feiern, ohne ihn eigentlich zu kennen oder auch nur kennen lernen wollen. Der „Gründer“ gerät darüber in eine schwere Krise, stirbt ein zweites Mal an der Lieblosigkeit der Menschen und verschwindet. Doch auch Williams Geschick nimmt eine gefährliche Wende. Da er mit seinem Leben infolge der Erfahrungen mit dem „Gründer“ nicht mehr zurechtkommt, konsumiert er zu viel Whiskey und in seinem angetrunkenen Zustand macht er Miss Fairy (Tabea Hohnecker), einer biederen Gemeindemusikerin, einen Heiratsantrag und will sie küssen. Die behauptet öffentlich, er habe sie sexuell genötigt, woraufhin William aus seinen Gemeindeämtern entlassen wird. Schlagartig bricht die bürgerliche und religiös geordnete Welt um ihn zusammen. Er verlässt die Stadt auf der Suche nach einem Lebenssinn und dem spurlos verschwundenen „Gründer“. Nach langer Zeit erscheint ihm dieser auf einer Parkbank, macht ihm Mut und regt ihn zu einem neuen Leben an. Er werde bei ihm sein, auch wenn er ihn künftig nicht mehr sehe, und ihm immer wieder kleine Zeichen seines Daseins (ein erstes war eine Rose auf der Parkbank) senden.

Das Stück lebt über weite Strecken von der Komik, die sich aus dem Gegensatz der Erwartungen an den „Gründer“ und seines ganz anders gearteten Wesens ergibt. Den Zuschauern wird gezeigt, wie weit unsere gängige Kirchen- und Religionspraxis vom Kern der christlichen Lehre und vom Vorbild Christi entfernt ist, und stellt das vorherrschende Christusbild in Frage. Der „Gründer“ ist eine Provokation, weil er unseren Erwartungen nicht entspricht. Manch einer in der Gemeinde ist sich nicht sicher, ob er „diesen“ Gott eigentlich haben will. Die Inszenierung kommt mit nur sehr wenigen Kulissen (Bank, Tisch, Stuhl) vor schwarzem, aber mitunter geschickt beleuchteten Hintergrund und einigen Musikelementen aus. Sehr gelungen war vor allem das Zusammenspiel Williams und des „Gründers“. Helmut Niedermirtl, der Laiendarsteller, spielte den charakterlichen Gegenpart zu William vorzüglich. Der Gemeindesaal von St. Matthäus war brechend voll, was das theatralische Gemeinschaftserlebnis sehr günstig beeinflusste.

   
  William und der Gründer   William und Helen
 

   
  Gründer und Bettler   Gründer und Robin
 

   
  Gründer und Jenny   Portrait von William
 

   
  William und Bill   William und Gemeindeleiter
 

   
  William und der Gründer   William und Helen
 

   
  William und Helen   William und Jenny
 

   
  Das Pfarrhaus St. Matthäus in Hochzoll, hinter dem der Gemeindesaal liegt   Der Eingang zum St. Matthäus-Gemeindesaal Augsburg-Hochzoll