Über die Episoden „Die heiligen 3 Madl“ und „Der Parasit“ aus dem „Königlich Bayerischen Amtsgericht“:
(gesehen am 30.12.2005 im Bräuhaussaal zu Stadtbergen)

Die beiden ausgewählten Gerichtsepisoden stammen aus Georg Lohmeiers „Königlich Bayerischem Amtsgericht“. Zunächst wurde der Einakter „Die heiligen 3 Madl“ aufgeführt: Bartholomäus Kölbl (Wiggerl Salvermoser), ein notorischer Säufer, klagt gegen drei Nachbarinnen, die ihn eines Nachts in seinem Hause überfallen und krankenhausreif geschlagen haben sollen. Der Mann ist nach dieser Attacke so verängstigt, dass er nur ungenaue Angaben zu dem Vorfall machen will und angeblich für alle Zeiten Gasthäuser nicht mehr betreten werde. Es stellt sich aber mit Hilfe des Zeugen Ludwig Ingerl (Bernhard Allinger) heraus, dass die Damen Maria Ingerl (Irma Jex), Franziska Abstreiter (Ulla Kling) und Walburga Brandl (Heike Holzapfel) mit diesem Überfall nur ihrer Nachbarin Frau Kölbl helfen wollten, sich ihres ständig betrunkenen und dann meist auch gewalttätigen Mannes zu erwehren. Weil Frau Kölbl jahrelang immer die drei Heiligen Katharina, Margarete und Barbara laut um Beistand gegen ihren Gatten angerufen hat, haben sie diese himmlische Hilfe, mit Bettlaken verkleidet und mit Schürhaken bewaffnet, inszeniert. Die drei angeklagten Damen behaupten aber vor Gericht, mit der Tat nichts zu tun zu haben, und sprechen von einem echten Wunder der so oft angerufenen Heiligen. Das nimmt Richter Stierhammer (Helmut Baumüller) den Damen nicht ab; die Gewaltaktion geht ihm entschieden zu weit und deshalb verurteilt er die „heiligen 3 Madl“ zu einer Geldstrafe und Bartholomäus Kölbl zum künftig mäßigen Alkoholgenuss.
Es sei hier besonders erwähnt, dass mit Ulla Kling eine der produktivsten Volksstückeautorinnen auf der Bühne stand.

Im zweiten Gerichtsfall „Der Parasit“ hat es derselbe Geisbacher Richter mit einem Bettler oder Betbruder, wie er sich selber bezeichnet; zu tun, der einem Münchner Urlauberpaar gezielt ins Essen geniest hat, um an die beiden Schweinshaxen zu kommen. Da dieser Parasit namens Max Haberer (Bernhard Allinger) für derlei Vorkommnisse ortsbekannt ist, will der Richter kurzen Prozess mit ihm machen. Doch es stellt sich heraus, dass der Fall etwas verwickelter ist als zunächst gedacht. Denn Ziska, die Kellnerin des Gasthauses zur Post (Hertha Rührgartner), scheint es nicht nur zu tolerieren, dass der Haberer auf diese Weise zu kostenlosen Mittagsmenüs kommt, sondern ihn sogar gegen Bezahlung eines Talers dazu ermuntert zu haben. Denn die vornehme Münchnerin Sophi Daimer (Heike Holzapfel) hat offensichtlich der Geisbacher Männerwelt die Köpfe verdreht, darunter auch einem Polizisten, auf den es Ziska abgesehen hat. Mit Hilfe des Ökonomierats Fäustl wird der Schaden außergerichtlich beglichen. Und auch der Haberer kommt unter diesen Umständen glimpflich davon.

Die Episoden spielen in einem typisch bayerischen Gerichtssaalambiente aus der Kaiserzeit um 1912 mit Bildern vom Prinzregenten Luitpold und von König Ludwig. Die Komik ergibt sich aus dem Widerspruch des richterlichen Bemühens um ein ordentliches Verfahren und dem undisziplinierten, etwas aufsässigen und schrulligen Verhalten der prozessbeteiligten bayerischen Charaktere aus der sogenannten „guten alten Zeit“. Besonders urwüchsig wirkte dabei der Betbruder Bernhard Allinger. Die Stücke weisen auf eine wenig lehrmeisterliche Art durchaus auf einige Probleme der weiß-blauen Dorfidylle hin: Alkoholimus als Folge des viel gepriesenen Nationalgetränks Bier, die manchmal verzweifelte Lage der Frauen, die unter den Saufgelagen ihrer Männer zu leiden hatten, die kaum gelöste Armutsfrage auf dem flachen Lande und beginnende Spannungen zwischen städtischen Touristen und Dörflern sind der „ernste“ Hintergrund der Gerichtsschwänke.

Wer Sinn für diese volkstümliche Form des humorvollen Theaters hat, kommt bei der Baumüller-Bühne auf seine Kosten, die solche Stücke wenig verkitscht spielt und dem Publikum damit vergnügliche Abende bereitet.

(Hans Martin Schipfel)